Irgendwann während meiner Schulzeit haben wir mal ein Gedicht gelernt, welches ich ungeheuer geliebt habe. Irgendwie blieb mir das immer im Kopf, leider nicht das ganze Gedicht, nur ein einziger Satz war mir im Gedächtnis geblieben: "........ein kleinwinziges, zweihälftiges Dreierbrot - blau auf rot.........."
Aber das Buch, in dem das Gedicht stand, war weg, nicht aufzufinden. Als meine Kinder irgendwann in das Geschichten-/Gedichte-Alter kamen, hab ich dieses Gedicht gesucht. Ich habe Büchereien und Buchhändler abgeklappert. Dieses vermaledeite Gedicht war nicht zu finden, zumal ich weder den Titel, noch den Verfasser wußte.
Viel viel später, inzwischen hatte das Internet Einzug in nahezu jeden Haushalt gehalten, meine Kinder waren erwachsen und die ersten Enkelkinder gingen schon in den Kindergarten. Und es gab Google.
Ich tippte die Zeile ein, die ich mir noch gemerkt hatte - und ich fand mein Gedicht. Es ist ein Kindergedicht, ich finde es aber so reizend, dass ich es Euch nicht vorenthalten möchte:
von Börries Freiherr von Münchhausen
Das alizarinblaue
Zwergenkind !
Nein, was hab´ ich gelacht!
Da kommt doch diese Nacht
ein kleinwinziges Zwergenkind
aus dem Bücherspind
hinter Kopischs Gedichten hervor
und krebselt an meinem Schreibtisch empor!
Trippelt ans Tintenfaß:
« Was ist denn das ? »
Stippt den schneckenhorndünnen Finger hinein,
leckt: „Ui – fein!“
Macht halslang, guckt dumm
noch mal in der ganzen Stube herum.
Gott sei Dank, allein!
Zwergenvater begegnet sich selber im Mondenschein!
Mutti, um was Gescheiteres anzufangen,
ist ein bissel spuken gegangen.
Da knöpft es sein Wämschen ab,
Hemd runter – schwapp –
spritzt´s ins Tintenbad hinein,
taucht, planscht, wischt die Äuglein rein,
pudelt
und sprudelt,
nimmt´s Mäulchen voll,
prustet ein´ Springbrunnen hoch zwei Zoll,
streckt´s Füßchen raus, schnalzt mit den Zeh´n,
taucht, um mal auf dem Kopf zu steh´n
Endlich Schluss der Badesaison!
Klettert raus, trippelt über meinen Löschkarton,
schuppert sich, über und über pitschenass:
„Brrrr, wie kalt war das!“
Ist selig, wie es sich zugesaut
und kriegt eine alizarinblaue Gänsehaut.
Nun trocknet´s sich auf dem Löschpapier,
probiert dort und hier:
Was da für´n feines Muster bleibt,
als ob einer, der schreiben kann, schreibt!
Ein Fußstapf – wie ´ne Bohne beinah!
Ein Handklitsch – alle fünf Finger da!
Nun die Nase aufgetunkt –
Lacht schrecklich: Ein richtiger Punkt!
Ein Punkt!
Wo´s aber gesessen hat,
auf dem roten Blatt,
wie´s da hinguckt,
da hat´s ein Dreierbrötchen gedruckt!
Ein kleinwinziges, zweihälftiges Dreierbrot!
Blau auf rot!
Erst lacht´s, dann schämt sich´s – und dann
So schnell es kann –
Am Tischbein runter durch den Mondenschein
In´n Schrank hinein!
Ein Weilchen noch hinter den Büchern her,
hörte ich´s piepsen und heulen sehr,
hat so arg geschnieft und geschluckt,
weil es das – Dreierbrötchen dahingedruckt.